„An die Mitglieder des Ratsversammlung“ – Stellungnahme von AMARC Europe

Wir veröffentlichen hier, eine Stellungnahme von AMARC Europe, dem Europäischen Dachverband Freier Radios.

Brüssel, 26.05.2021

Sehr geehrte Ratsmitglieder,

durch unser Mitglied, den Bundesverband Freier Radios, sind wir auf die aktuelle Diskussion um die kommunale Förderung des Flensburger Freien Radios FRATZ hingewiesen worden. Mit Verwunderung und Besorgnis haben wir die von FDP und CDU gegen die Förderbarkeit von FRATZ hervorgebrachten Argumente registriert.
Verwunderung, weil die Monierung einseitiger Berichterstattung von Unkenntnis darüber zeugt, welcher selbstgegebenen Funktion und Aufgabe Freie Radios nachkommen, wenn sie vor allem denjenigen versuchen, eine Stimme in den Medien zu geben, deren Positionen wenig oder kein Gehör finden. Damit leisten Freie Radios einen wichtigen Beitrag zur Teilnahme an und Vielfalt in der öffentlichen Debatte. Besorgnis, weil der Vorwurf, durch die Ausschlussklausel für Angehörige von Strafverfolgungsbehörden würden diese diskriminiert, nicht nur keine Diskriminierung sondern stattdessen eine sachlich gerechtfertigte Ungleichbehandlung darstellt. Der Vorwurf bezieht in diesem Zusammenhang eine fragwürdige Position in Bezug auf das Trennungs-
gebot von staatlichen Behörden und Medien, das vor allem die Pressefreiheit garantieren soll und dem Informant*innen- und Quellenschutz dient.

Freie Radios – im internationalen Kontext Community Radios – sind nicht-kommerzielle Medien, die die Prinzipien der basisdemokratischen Selbstverwaltung auch auf ihre Programmgestaltung anwenden. Im Fokus steht dabei nicht nur der Programm-output sondern der gemeinschaftliche Entscheidungs- und Entstehungsprozess des Programmes, die Schaffung des Zuganges zum Massenmedium gerade auch für die Angehörigen gesellschaftlich marginalisierter Gruppen oder deren Positionen und die Vermittlung von Medienkompetenz als eine der demokratischen Grundkompetenzenunserer Zeit.

All diese Aspekte und ihre gesellschaftlichen Funktionen haben in den vergangenen Jahren immer wieder die Bestätigung durch verschiedene Europäische Gremien erfahren. Bereits 2008 hatte das Europäische Parlament (Entschließung vom 25. September) die Mitgliedstaaten “zu größerer aktiver Unterstützung der Bürgermedien auf(gerufen), um Medienpluralismus zu gewährleisten“ und empfohlen „aktiver mit den Bürgermedien zusammenzuarbeiten, um in einen unmittelbareren Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern treten zu können“. Am 11. Februar erklärte das Europäischen Ministerkommitee „zur Rolle der Medien bei der Förderung des sozialen Zusammenhalts und des interkulturellen Dialogs“ die Anerkennung von Community Medien als Dritten Sektor und forderte die Mitgliedsstaaten auf, zu prüfen, wie „verbindliche Mittel auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene zur Unterstützung des Sektors“ bereit gestellt werden können.

Und zuletzt verabschiedeten am 7. März 2018 die 47 Außenministerinnen und Außenminister des Europarates die Empfehlung CM/Rec(2018) in der sie die Bedeutung der Community Medien für die Stärkung des Medienpluralismus und der Diversität von Medieninhalten einerseits und den Beitrag zur Medienkompetenzvermittlung und Bildung auf der anderen Seite hervorheben:

Aus der Einleitung:
Unabhängige und nachhaltige öffentliche Angebote und nicht-kommerziellen Community Media können als Gegengewicht zur Medienkonzentration fungieren. Aufgrund der Bedeutung ihrer Aufgabenstellung, sind öffentliche Medienangebote insbesondere dafür geeignet den Bedarf an Informationen und Interessen sämtlicher Teile der Gesellschaft anzusprechen, das gilt auch für die Community Media sowie für ihre teilnehmenden Nutzer. Es ist von größter Bedeutung, dass der Auftrag der öffentlichen Medien-Angebote darin besteht, die Verantwortung für politischen Pluralismus zu übernehmen und das Bewusstsein für verschiedene Meinungen zu besonders zu fördern, indem man verschiedenen Gruppen der Gesellschaft – einschließlich kultureller, linguistischer, ethnischer, religiöser, sexueller oder anderer Minderheiten – Möglichkeiten bietet, Informationen zu erhalten und zu verbreiten, sich auszudrücken und Ideen auszutauschen.

In: 2. Medienpluralismus und Diversität von Medieninhalten
2.11 Staaten sollten zur Etablierung und zum Funktionieren von partikulären, regionalen, lokalen und nicht-kommerziellen Community Media ermutigen, einschließlich indem sie finanzielle Mechanismen liefern, um deren Entwicklung zu fördern. Solche unabhängige Medien geben Gesellschaften und Individuen eine Stimme über Themenfelder, die ihren entsprechenden Bedürfnissen und Interessen entsprechen, und sind auf diese Weise das Werkzeug, um die Veröffentlichung ihrer Angelegenheiten voranzutreiben, die vielleicht nicht in den Mainstream Medien vertreten sind, indem sie den integrativen und Teilnahmeprozess zum Dialog innerhalb und quer durch die Gemeinschaften auf einem regionalen und lokalen Niveau erleichtern. In: 5. Medien-Kompetenz und Bildung Die Staaten sollten alle Medien ermutigen, ohne ihre redaktionelle Unabhängigkeit zu behindern, Medienkompetenz mit Hilfe von Grundsätzen, Strategien und Maßnahmen zu entwickeln. Öffentliche Mediendienste können führende Rollen in der Verbreitung von Medienkompetenz aufgrund ihrer Ziele, ihrer Aufträge und Arbeitsverfahren ausüben. Staaten können außerdem Medienkompetenz durch unterstützende Modelle für Medien fördern, indem sie die besondere Rolle öffentlicher Medien und der Community Medien berücksichtigen.

Trotz dieser Anerkennung und Empfehlungen sehen wir immer wieder wie in Mitgliedsstaaten der EU zum Teil erfolgreich gegen Community Medien vorgegangen wird.

In Ungarn ist eine vormals vielfältige Community-Medien-Landschaft beseitigt worden, nicht indem die Sender und ihre Trägerorganisationen verboten worden wären, sondern durch Verwaltungsakte und Änderungen der Förderbedingungen. Missliebige Berichterstattung führte in Ljubljana zur Streichung der finanziellen Förderung des mit über 50 Jahren ältesten Community Radios Europas. Radio Student wurden die Fördermittel der staatlichen Universität im existenzbedrohendem Maße gekürzt. Mit den eingebrachten Anträgen der CDU und FDP stellen sich beide Parteien in diese Tradition, vermutlich wohl wissend, dass ohne die Unterstützung der Stadt Flensburg das junge Radio FRATZ in seiner Existenz bedroht sein würde. Dem sollten die demokratischen Parteien der Ratsversammlung entschieden entgegenwirken und mit der Unterstützung des Freien Radio FRATZ ihren Beitrag für den Medienpluralismus in und um Flensburg leisten.

Mit freundlichen Grüßen

Michael Nicolai / Präsident AMARC Europe

AMARC Europe – Rue de la Linière 11, 1060 Brussels, Belgium
AMARC Europe – World Association of Community Radio Broadcasters
AMARC Europe – Association Mondiale des Radios Communautaires
AMARC Europa – Asociacion Mundial de Radios Comunitarias

 

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