Uns wurde folgender Brief zugesandt und wir möchten ihn an dieser Stelle veröffentlichen.
Ich beobachte das Geschehen in der Norderstraße nun eine Weile. Das liegt vermutlich daran, dass ich selbst im Gebiet Hafenquartier wohne und auch meinen Laden dort schon seit Jahren betreibe.
Angefangen hatte es ein paar Tage vor dem Besuch der Königin Margrethe aus Dänemark.
Menschen mit orangener Arbeitskleidung waren jeden morgen in der Straße zu sehen, wie sie die Aufkleber von den Laternenpfählen mehr grob als sorgfältig mit einem Spachtel entfernten.
Die Reste der Aufkleber lagen überall in der Norderstraße auf den Gehwegen und nicht wenige beschwerten sich auch da schon beim TBZ über die Verschmutzung der Straße.
Ich selbst fragte mich zu diesem Zeitpunkt schon, warum aus dem bunten Metallpfahl nun ein grauer werden soll, der auch nach der Säuberung alles andere als schön anzusehen war. Der TBZ Mitarbeiter meinte jedoch nur, dass er einen Auftrag zur Säuberung hätte und dass das wohl politisch gewollt sei und ich mich an Simone Lange wenden sollte.
Ich ging dann davon aus, dass der Besuch von Margrethe der Grund sein müsse und danach das TBZ ihren Auftrag erledigt hat. Aber erst heute habe ich wieder einen TBZ Mitarbeiter in der Norderstraße kratzen gesehen.
Jeden Tag kommen wieder neue Aufkleber an die Pfähle.
»Wir sagen Moin« auf einem Regenbogen Hintergrund. Dieser Aufkleber weißt auf eine lokale Initiative für Menschen mit Fluchthintergrund hin. »Nazis raus«. Ein starkes Statement, dass ich persönlich sehr begrüße und erst vor kurzem für Aufregung gesorgt hatte, weil eine ZDF Moderatorin diese Worte twitterte und daraufhin Morddrohungen erhielt.
»Antifa Area« Als Abkürzung steht dieser Begriff für Antifaschismus und diesen braucht auch Flensburg in Zeiten der AFD und dem strukturellen Rechtsdruck, damit die Stadt so vorbildlich bunt bleibt, wie sie sich darstellt. #flensburgbleibtbunt
Und dann kommt der Mensch in seiner orangenen Arbeitskleidung und entfernt die Aufkleber wieder.
Das geht nun schon eine Weile so, aber der Besuch von Margrethe ist vorbei und so langsam passiert es mir immer öfters, dass ich im vorderen Teil der Norder an Gruppen von jungen Menschen vorbeigehe, die sich empört darüber unterhalten, dass die Pfähle nicht besser aussehen ohne die Aufkleber und die Stadt damit zur Gentrifizierung der Norderstraße beitragen möchte, oder ob die politischen Aussagen, die sich vor allem gegen Nazis richten, nicht gewollt sind.
Gentrifizierung, dass bedeutet Aufwertung eines Viertels und Aufwertung bedeutet höhere Mieten und Verdrängung der alten Bewohner*innen und Ladenbesitzer*innen, weil diese sich die Mieten nicht mehr leisten können. Das ist eine sehr kurze Zusammenfassung, aber die Norderstraße kennt diesen Prozess nicht schon seit gestern.
Seit Jahren beobachte ich die Entwicklung dieser Straße und ich freue mich sehr darüber, wie lebendig und vielfältig diese Straße geworden ist. In direkter Nähe kenne ich alle der Ladenbesitzer*innen und ich kann nicht am Sonntag Brötchen holen ohne mehrere Bewohner*innen der Norderstraße zu treffen, die mit mir über das Schietwetter in Flensburg reden möchten. Aber ich betrachte die Entwicklung auch mit Argwohn. Ich weiß, dass die Mieten in unserem Quartier steigen und es viele Ferienwohnungen in der Norderstraße gibt. Wohnraum, denen den Menschen vorenthalten wird, die ich auch morgens beim Bäcker treffen könnte, weil wir uns schon seit Jahren auf der Straße begegnen. Das passiert mir mit den Touristen*innen nie. Die wollen immer nur kurz wissen, warum die Schuhe an der Leine hängen. Ich erzähle denen übrigens immer andere Geschichten, das macht es für mich nicht so langweilig.
Nun würde ich davon ausgehen, dass das Entfernen der Aufkleber ein Akt der Gentrifizierung sein soll. Aus Bunt macht Grau. Meinungslos anstatt einer klaren Positionierung gegen Rechts. Sich einsetzen für geflüchte Menschen und gegen Homophobie, aber bitte nicht als sichtbares Statement an den Laternenpfählen der Stadt. Aufkleber ran, Aufkleber ab. Das Katz und Maus Spiel wird vermutlich noch eine Weile weiter gehen, mal schauen wie viel Steuergelder noch dafür verwendet werden, bis dieses Spiel aufhört. Beide Seiten scheinen wohl aber noch nicht aufgeben zu wollen und wenn das noch ne Weile so geht, werde ich vermutlich bald herausfinden, wo es diese Aufkleber gibt und selbst einen »Wir sagen Moin« Aufkleber, zumindest an meine Ladentür kleben.
Übrigens ist das Verkleben von Aufklebern, laut meiner Recherche, keine Sachbeschädigung. Außer sie werden so grob entfernt, wie das TBZ vorbildlich gezeigt hat. Dann bleiben nämlich massive Schäden am Untergrund, die aber nicht vom Aufkleber verursacht wurden.
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